Merkblatt zur Stuhldiagnostik

Darmbakterien sind wichtig für die Gesundheit. Die Frage ist welche, wann und wie? Bisher gab es keine zufrieden stellende Antwort auf diese Fragen. Eine Trennung der Darmbakterien in gute und böse ist bisher nicht gelungen. Mehr als 1000 verschiedene Bakt erienarten erreichen in jedem Darm zusammen eine astronomische Konzentration von 1013 . Die genaue Analyse der Zusammensetzung einer einzigen Stuhlprobe würde für ein Mikrobiol ogisches Institut etwa ein Jahr Arbeit bedeuten. Klar ist, dass die meisten Darmbakterien alles andere als harmlos sind. Bacteroides, Enterokokken, Enterobakterien, Clostridium perfringens - man bezeichnet diese Mikroorganismen als normale Darmflora, weil sie in jedem gesunden Darm in hohen Konzentrationen vorkommen, also nicht ansteckend im üblichen Sinne sind. Würde man jedoch diese Bakterien in anderes menschliches Gewe be übertragen – führten sie unweigerlich zu lebensbedrohlichen Zuständen wie Gasbrand, Seps is, Herzklappen-Endokarditis. Ein Eindringen dieser Bakterien in das menschliche Gewebe kommt mitunter spontan vor. Der Nachweis von Bakterien im Blut oder in Gewe bsproben ist daher immer schwer wiegend. Andererseits kommen viele klassische Infektionserreger wie Salm onellen, Vibrio cholerae, Shigellen (Ruhr), enteropathogene E.coli, Clostridium difficile mit unter im Darm beschwer defreier Menschen vor. Ein Zusammenhang zwischen ihrem Nachweis im Stuhl und einer Infektionskrankheit ist nicht immer gegeben. Wegen des hohen apparativen Au fwandes für die mikrobielle Stuhldiagnostik wurde diese vor allem auf die Isol ation von ansteckenden Erregern be schränkt Um die Aufgabe zu vereinfachen, untersuchten wir nicht alle Bakterien sondern solche, die auf der Oberfläche von Darmbiopsien zu finden sind. Jedes Bakterium be sitzt Gene, die gruppen- und speziesspezifisch sind. Man kann sie mit Hilfe molekulargenetischer Methoden anfärben und unter dem Mikroskop darstellen. Dabei lässt sich das Verhältnis einzelner Bakterien zu einander und zur Darmwand darstellen. Unsere Daten zeigten, dass die gesunde Darmschleimhaut frei von Bakterien ist.

Eine Schleimschicht (genannt Mucus) lässt keinen Kontakt zwischen Bakterien und Darmwand zu. Diese perfekte Trennung erlaubt es dem Menschen, gefährliche Bakterien im Darm zu beherbergen, ohne von diesen beeinträchtigt zu sein. Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Dickdarmkarzinomen und Diverticulose ist die Situation anders. Bakterien durchwandern den Mucus und bilden auf der Darmoberfläche dichte Schichten. Eine fehlende Trennung von Darmwand und Bakterien findet sich auch bei anderen Erkrankungen des Darmes, allerdings ist die Zusammensetzung der Bakterienschichten jeweils eine andere, wie es die unteren Mikroskopieaufnahmen verdeutlichen.

Je nach dem welche Bakterien den Mucus überwinden und wie der Organismus darauf reagiert, kommt es entweder zu einem Durchfall, einer allergischen Reaktion, Entzündung oder Tumorbildung. Die chronische Darmentzündung beginnt nicht in der Darmwand, sondern im Darminhalt. Der Organismus reagiert zunächst mit einer Auswanderung von Leukozyten (weiße Blutzellen) in den Mucus. Diese Wächterzellen des Körpers erkennen und töten Bakterien. Der Organismus versucht damit die Zuwanderung der Bakterien im Vorfeld zu stoppen. Erst wenn diese Vorposten der Abwehr zusammenbrechen, kommt es zur Entwicklung kleiner oberflächlicher Geschwüre und oder einer tiefen Fistelbildung der Darmwand.

Viele Erkrankungen des Darmes haben somit eine Störung der Mucusbarriere gemeinsam. Die Ursachen der Barrierestörung sind noch unklar. In allen Industrieländern findet sich in den letzten 100 Jahren ein steter Anstieg an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Dickdarmkarzinomen und Divertikulose. Dieser Anstieg ist verbunden mit den Änderungen unseres Lebensstils. CED-Krankheiten finden Einzug in alle Länder, die den westlichen Lebensstil übernehmen. Unklar ist allerdings, was genau an der westlichen Lebensweise die Darmkrankheiten fördert und wie man diese Vorgänge umkehren kann. Sicher ist, dass der heutige Mensch einer zunehmenden Vielfalt an Mikroorganismen begegnet. Der internationale Verkehr und Lebensmittelimporte bringen uns Mikroben aus der ganzen Welt, die sonst niemals die geographischen Grenzen überschritten hätten.

Bei wachsenden Transportwegen und Lagerungszeiten ist die Industrie bemüht, Lebensmittel sauberer und angenehmer in Geschmack, Geruch und Aussehen zu machen. Dabei werden verstärkt Seifen und Emulgatoren (Flüssigmacher) eingesetzt. Die Reiniger und Flüssigmacher reduzieren die Bakterienzahlen in unserer Umwelt. Im Darmlumen bleibt die Bakterienzahl und Vielfalt trotz Einsatz dieser Substanzen hoch. Eine „reinigende“ oder „verflüssigende“ Wirkung auf die Mucusschicht könnte allerdings den Darmbakterien den Weg zur Darmwand ebnen. Sicherlich sind die meisten zur Anwendung kommenden Seifen und Emulgatoren unbedenklich, ein Großteil von diesen wird bei Aufnahme mit dem Essen abgebaut und kommt nicht einmal im Dickdarm an. Allerdings wurde ihr Einfluss auf die Schleimschicht bisher nicht gezielt untersucht, weil die entsprechenden Methoden fehlen bzw. die Frage nicht aufgeworfen wurde. Ob äußere Einflüsse, Wirkung selektiver Bakteriengruppen oder körpereigenen Defekte - wichtig ist es Wege zu finden, die Mucusbarriere zu stärken und die Darmwand von einer Zuwanderung der Bakterien zu schützen.

Wir erforschen die Ursachen der Störung der Mucusbarriere, um chronische Darmkrankheiten, die bisher als unheilbar galten, zu heilen. Untersuchungen der Bakterienflora an Biopsien ist ein wichtiger Bestandteil dieser Forschung. Leider erlaubt diese Methode keine engmaschigen Verlaufsbeobachtungen, da es unzumutbar ist, Darmbiopsien nach jeder Änderung der Therapie oder der Diät zu entnehmen. Die bioptischen Untersuchungen bleiben daher den medizinisch indizierten Endoskopien vorbehalten.

Wenn es um Bakterien geht, die in den Mucus einwandern und die Darmwand erreichen, müsste es auch möglich sein, die Mucusbarriere auch von der Stuhlseite aus zu erforschen. Hierfür muss die räumliche Struktur des Stuhl-Mucus-Übergangs erhalten bleiben. Das Prinzip der Strukturerhaltung ist alt. Geologen verwenden z.B. Erdbohrungen um die Erdkruste und Übergänge zwischen verschiedenen Formationen schichtweise zu untersuchen.

Eine ähnliche Bohrprobe, des Stuhls, müsste uns helfen, den Aufbau des Schleimes der anliegenden Stuhlschichten, die räumliche Organisation der Bakterien und deren Migration über die Mucusbarriere zu untersuchen. Die Ersten mit dieser Methode durchgeführten Untersuchungen sind vielversprechend. Wie das Bild an der Seite zeigt, ist der Stuhl gesunder Menschen mit Schleim bedeckt, der undurchdringlich für Bakterien ist.

Bei Patienten mit akutem Schub von Colitis ulcerosa ist die Situation anders. Bakterien durchtränken den Mucus, erreichen die Darmwand und reizen diese. Als Reaktion darauf wandern menschliche entzündliche Zellen (Leukozyten) in den Schleim, um eine Zuwanderung von Bakterien zu stoppen. Die Entzündung zerstört Bakterien, führt aber auch zu erheblichen Kollateralschäden an der Darmwand und kann das Problem dennoch nicht anhaltend beheben. Solange die Schleimbarriere durchlässig für Bakterien ist, ist eine Heilung unerreichbar, da die fortwährende Zuwanderung von Bakterien die vorausgehenden Bemühungen zunichte macht. Unter diesen Umständen birgt eine chronische Entzündung größere Gefahren als ein Kontakt der Darmwand mit den Bakterien und wird deshalb gegenwärtig nicht antibakteriell, sondern entzündungshemmend behandelt.

Auf dem nächsten Bild sind zwei Gruppen von Bakterien am Übergang vom Stuhl zum Schleim mit verschiedenen Farbstoffen markiert. Das Bild verdeutlicht, dass sich die Konzentration einzelner Bakteriengruppen im Schleim und Stuhl um mehrere Größenordnungen unterscheidet. Bakterien, die in den Schleim einwandern und hier hohe Konzentrationen erreichen (gelbe Fluoreszenz), können im Stuhl fast fehlen. Bakterien, die dagegen in hohen Konzentrationen im Stuhl vorliegen (rote Fluoreszenz), wandern mitunter gar nicht in den Schleim ein. Die Untersuchung von Bakteriengruppen am Mucus-Stuhl-Übergang erlaubt es, Bakterien, die mit der Darmwand kontaktieren und an den Vorgängen der Entzündung beteiligt sind, individuell zu erfassen. Hierfür ist allerdings eine korrekte Probenentnahme entscheidend. Die Struktur des Stuhls und der Aufbau von Schichten müssen erhalten bleiben

Probenentnahme:

Sie erhalten für jede Untersuchung ein Röhrchen mit Konservierungslösung: 6/6/1 Teile Alkohol/Essig/Chloroform - die Bestandteile der Konservierungslösung sind beim unbeabsichtigten Kontakt mit der Haut ungefährlich. Spritzer in die Augen oder auf die Schleimhaut sollen mit reichlich Wasser ausgespült werden. Der Stuhl ist weich. Die "Bohrungen" am Stuhl lassen sich mit dem Strohhalm durchführen. Der Strohhalm schützt später den Stuhlzylinder vor mechanischer Zerstörung. Auf jedem Röhrchen sind zwei Strohhalmstückchen mit Klebeband fixiert (Abbildung, Punkt1). Die Farbe der Strohhalme ist unbedeutsam. Von jedem zu untersuchenden Stuhlgang sollen zwei Zylinder an zwei verschiedenen Stellen entnommen werden (daher zwei Strohhalme). Die Strohhalme bohrt man drehend bis zur Tiefe von 5-10 mm in den Stuhl (Abbildung, Punkt2). Beim Herausziehen aus dem Stuhl soll man darauf achten, dass der Stuhlzylinder in dem Strohhalm bleibt, anderenfalls es erneut an einer anderen Stelle versuchen. Gefüllte Strohhalme steckt man in das Röhrchen mit der Fixierlösung. Nach dem Schließen des Deckels soll das Röhrchen ein Mal sanft geschwenkt werden, damit die Konservierungslösung in das Innere der Strohhalme gelangt und dabei die Schleimoberfläche des Stuhls vernetzt. Bitte nicht schütteln, da die Stuhl-Zylinder sonst aus dem Strohhalm herausfallen (Abbildung Punkt 3 bis 5). Bitte legen sie auch keine losen Stuhlbestandteile in das Gefäß mit Konservierungslösung ein. Diese machen die Untersuchung unsicher, da bei größeren Stuhlmengen die Konservierungslösung nicht ausreicht, um den Stuhl zu fixieren. Die Menge der Konservierungslösung ist genau berechnet. Wenn der Stuhl sehr breiig ist und aus dem Strohhalm wiederholt ausfällt, ist es möglich nach der Stuhlentnahme das untere Ende des Strohhalms mit weißer Vaseline zu verschließen. Das obere Ende muss stets offen und für die Konservierungslösung zugängig bleiben. Die frisch entnommenen Stuhlproben sollen bei Raumtemperatur bis zum nächsten Tag stehen, um optimal fixiert zu sein. Anschließend können die Röhrchen mit den entnommenen Stuhlzylindern im Kühlschrank 2-4 Wochen aufbewahrt werden. Dadurch ist es möglich 3-4 Proben zu sammeln und dann alle auf ein Mal zur Untersuchung zu bringen. Bitte kleben Sie auf jedes Röhrchen ein Klebchen mit Ihrem Namen und dem Entnahmedatum der Stuhlprobe. Die Röhrchen legen Sie im Hauptgebäude der Inneren Klinik an der Pforte in das blaue Körbchen. Sie werden dort täglich abgeholt. Vorläufig kann die Auswertung der Befunde lediglich im Rahmen der Sprechstunde erfolgen. Wegen der Komplexität können die Befunde noch nicht an den Hausarzt weitergegeben werden.

Viel Erfolg und gute Besserung!

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